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„Das gehört jetzt zu unserer Geschichte“

Hagens Trainer Carsten Werde über die Hinrunde in der Fußball-Oberliga Niedersachsen

Herr Werde, ein 0:9, ein 0:10, der Einzug ins Pokal-Halbfinale und ein 3:0 gegen den bis dahin nicht bezwingbaren SV Atlas Delmenhorst – war das die verrückteste Hinserie Ihrer Laufbahn?
Carsten Werde: Es war definitiv ein Halbjahr voller Extreme, mit unfassbaren Ausschlägen in beide Richtungen, positiv wie negativ. Das war vor allem auch emotional sehr ereignisreich und intensiv.

Wünscht man sich das nicht lieber etwas normaler und unspektakulärer?
Grundsätzlich definieren wir uns ja schon auch ein Stück weit darüber, dass die Menschen zur Blumenstraße kommen sollen, weil sie hier etwas erleben können und Spaß am Fußball haben sollen. Natürlich wollen wir den Zuschauern etwas bieten, aber es hätten dann doch gerne ein paar mehr Ausschläge in die positive Richtung sein dürfen. Am Ende zählt aber vor allem die Punkteausbeute und die ist definitiv so, dass wir uns eine wirklich gute Ausgangslage für die Rückrunde geschaffen haben.

Ihr Team hat jetzt 21 Punkte aus 20 Spielen eingesammelt. Ist das rückblickend eine zufriedenstellende Bilanz oder vielleicht doch eher etwas zu wenig?
Mein Co-Trainer Tim Grundmann hat mich neulich dasselbe gefragt, ob ich 21 Punkte vor der Saison unterschrieben hätte. Natürlich wären mir 25 Punkte noch lieber gewesen, aber 21 Zähler sind angesichts der Voraussetzungen mit dem Umbruch im Sommer, der schwierigen Vorbereitung, und nicht zuletzt angesichts der erwähnten Negativausschläge eine Zahl, mit der wir total gut leben können.

Zweifelt man bei einem 0:9, gefolgt von einem 0:10 eigentlich eher am Charakter oder der Qualität der Mannschaft?
Weder noch. Ich denke, man sollte dieses Thema auch langsam abschließen. Diese beiden Spiele gehören jetzt zu der Saison und zu unserer Geschichte, keine Frage. Und beide Spiele haben sicher auch ihre ganz individuelle Entstehungsgeschichte. Aber mit dem Charakter der Mannschaft hat das wirklich rein gar nichts zu tun. Man muss doch vielmehr ein Riesenkompliment aussprechen, wie sich die Jungs nach diesen Rückschlägen zurückgemeldet haben.

Können Sie das konkretisieren?
Nun ja, man muss schon ehrlich sagen, dass das letzte halbe Jahr nicht so von alleine gelaufen ist, wie es vielleicht in den zwei Jahren zuvor der Fall war. Diese Mannschaft musste deutlich mehr investieren, um positive Ausschläge erreichen zu können. Und wenn dann noch derartige Negativerlebnisse verarbeitet werden müssen, muss man den Hut davor ziehen, dass am Ende trotzdem 21 Punkte zusammengekommen sind.

Wie haben Sie die Situation im Verein wahrgenommen in dieser Phase?
Auch da muss man den Verantwortlichen ein riesengroßes Lob aussprechen, eigentlich allen im Verein. Weder nach dem 0:9, noch nach dem 0:10 gab es da etwas zu hören, was in Richtung Unruhe ging. Die Unterstützung und der Rückhalt für das Trainerteam und die Mannschaft waren fantastisch – und das ist bei solchen Resultaten ja keinesfalls selbstverständlich. Da können wir alle nur an einen großen Dank Richtung Wilfried Roes, Gunnar Schmidt und Marco Vehrenkamp loswerden.

Welche Niederlage hat rückblickend am meisten wehgetan in dieser Saison?
Das 0:10 war schon brutal hart. Das war schwerer, als alles andere, was wir hier je zusammen erlebt haben. Ich habe aber auch manchmal das Gefühl gehabt, dass einigen vielleicht ein bisschen der Sinn für die Realität abhandengekommen ist.

Weil Sie das Gefühl haben, dass einige Zuschauer mit Blick auf die vergangenen Jahre mittlerweile zu viel erwarten?
Fakt ist, dass wir mit der vergangenen Saison das Maß auf eine Stufe gehoben haben, das kaum noch zu steigern ist und das wohl auch nicht normal für einen Klub wie den FC Hagen/Uthlede ist. Wir dürfen nie vergessen mit welchen Vereinen wir in der Oberliga konkurrieren und das dort signifikant andere Möglichkeiten bestehen. Wenn man das im Kopf behält, ist die derzeitige Situation mit 21 Punkten eine richtig gute Position, in der wir uns befinden.

Etwas, über das in den vergangenen Wochen kaum gesprochen wurde, ist die aktuelle Heimschwäche. Wenn Kickers Emden nicht drei Heimspiele weniger auf dem Konto hätte, wäre der FC dort Tabellenletzter …
… und das ist definitiv der Punkt, an dem wir neben einer optimalen Vorbereitungsphase am meisten arbeiten müssen. Es gibt zwei Erklärungsansätze für die Heimbilanz. Zum einen wissen die anderen Teams mittlerweile ganz genau, was sie bei uns erwartet. Andersherum haben es in unserer Mannschaft noch nicht alle komplett verinnerlicht, wie wir an der Blumenstraße auftreten wollen. Auf der anderen Seite muss man aber auch erkennen, dass wir gegen fünf der ersten sechs Teams schon Zuhause gespielt und diese Partien allesamt verloren haben.

Mit sieben Toren ist Erik Köhler der beste Torschütze bei Ihnen. Fehlt vorne ein Knipser, wie es letzte Saison Justin Dähnenkamp war?
Nein, ganz ausdrücklich nein. Klar wünschen wir uns manchmal eine bessere Chancenverwertung. Aber das Problem liegt definitiv darin, dass wir viel zu viele Gegentore kassiert haben.

Egal, wie die Ergebnisse waren. Es war auffällig, dass niemals die Namen Axel France, Nils Göcke oder Justin Dähnenkamp gefallen sind. Dabei wäre das ja ein ganz einfacher Ansatz, um zu zeigen, welche Qualität man verloren hat.
Der viel entscheidendere Punkt ist aber doch der, dass jeder einzelne im Team eine Vorbereitung absolvieren kann, die uns dann alle gemeinsam in die Lage bringt, einen solchen Umbruch zu meistern. Dass jeder für sich topfit wird, liegt erst einmal an jedem selbst. Das war leider in der Vorbereitung zu selten der Fall. Und so etwas hat überhaupt nichts damit zu tun, dass irgendwelche Spieler nicht mehr dabei sind.

Gibt es für Sie da ein Positivbeispiel?
Ganz klar fällt mir da Thomas Wischhusen ein, der wirklich topfit durch die komplette Hinrunde gekommen ist. Natürlich hadert er auch mal mit sich selbst, aber wie er auch gerade in den schweren Momenten vorangegangen ist, war schon richtig klasse. Und es zeigt, wie wichtig es ist, körperlich in allerbester Verfassung zu sein.

Wird sich das Gesicht des Kaders in der Winterpause verändern?
Nicht groß, aber wir planen irgendwas zwischen einem und drei Neuzugängen. Wir befinden uns da in Gesprächen, konkret ist noch nichts. Abgänge soll es aber eigentlich keine geben.

Wann geht es mit dem Training wieder los?
Am 10. Januar. Wir werden dann das Turnier in Loxstedt spielen und uns dann vor allem darum kümmern, die Jungs in die richtige körperliche Verfassung zu bringen. Das wird das große Ziel für die ersten Wochen sein.

Das Gespräch führte Tobias Dohr.

Carsten Werde (31) ist ein echtes Urgestein des FC Hagen/Uthlede. Nach vielen Jahren als Spieler stieg Werde in der Saison 2015/2016 als Co-Trainer ein und übernahm im Frühjahr 2017 den Posten des Chefcoaches vom zurückgetretenen Max Klimmek. In der Saison 2017/2018 führte der zweifache Familienvater den FC Hagen/Uthlede zunächst zur Landesliga-Meisterschaft und in der Spielzeit darauf zum souveränen Klassenerhalt in der Oberliga Niedersachsen.


Quelle: Weser-Kurier vom 14.12.2019 verfasst von Tobias Dohr