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Fangen Sie wieder bei null an, Herr Duray?

Trainer des FC Hagen/Uthlede spricht im Interview über seine Vertragsverlängerung, Statistiken und Zuversicht

Herr Duray, Sie bleiben über die aktuelle Saison hinaus Trainer beim FC Hagen/Uthlede. Ein „Bewerbungsschreiben“ konnten Sie dabei gar nicht abgeben, oder? Schließlich gab es nur vier Spiele unter Ihnen.
Benjamin Duray: Als wir noch zusammensitzen konnten, hatten wir schon gesagt, dass wir noch gar nicht richtig angefangen haben. Dass es so gekommen ist, liegt einfach an dieser verrückten Zeit gerade. Es gab da jetzt aber auch wenig miteinander zu sprechen. Wir setzen das fort, was wir angefangen haben, und damit ist das Gespräch eigentlich schon im Kern zusammengefasst. Und weil wir damit erst gerade angefangen haben, gab es auch keine Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zu beenden. Der Schritt war zwangsläufig.

In den vier Begegnungen mit Ihnen als neuem Trainer holte der FC Hagen/Uthlede in drei Ligaspielen einen Punkt und mühte sich im Niedersachsenpokal gegen den Rotenburger SV erst nach Elfmeterschießen in die nächste Runde. Wie bewerten Sie Ihren Einstand?
Gute Frage (überlegt). Letztendlich ist man ins kalte Wasser gesprungen. Wichtig war natürlich, dass man erst einmal einen Eindruck von der Mannschaft bekommt. Herausfinden, wo sind die Schwächen, wo die Stärken. Das erkennt man am besten in den Spielen. Wir haben natürlich versucht, überall was zu holen. Leider ist uns das nicht so ganz geglückt. Im Grunde genommen kann man noch gar nicht so viel sagen. Wir haben es in den vier Wochen geschafft, unsere Idee mitzugeben. Das haben die Jungs auch gut aufgenommen. Und wenn es dann wieder losgeht, wollen wir das verfeinern und in Erfolg umwandeln.

Sie sind Lehrer. Welche Note würden Sie sich denn geben?
Fiese Frage. Das kann man nicht beantworten. Fußball ist zu vielfältig. Die gegenseitigen Leistungen beeinflussen sich ja im Mannschaftssport grundsätzlich. Da unterliegt man so vielen Einflüssen. In der Schule ist das klar. Wenn ich weiß, eins plus eins ist zwei, dann habe ich in der Mathearbeit einen Punkt. Im Fußball ist das nicht so, weil es überall Variablen gibt. Da kommen so viele Dinge zusammen, sodass man das gar nicht sagen kann. Der Einfluss eines Trainers ist geringer, als man sich das wünscht.

Das ist aber kein Plädoyer für Ihre Zunft.
Das wird auch bei Trainerlehrgängen vermittelt und steht auch in vielen Studien. Letztendlich steht die Mannschaft auf dem Platz und muss die Dinge selbst regeln. Man versucht als Trainer ein gewisses Gerüst, eine gewisse Idee mitzugeben und dieses gemeinsam zu erarbeiten. Aber umsetzen müssen sie es auf dem Platz alleine. Aber klar: Am Ende bin ich dafür verantwortlich, ob das alles auch so klappt.

Wie kann man sich eine Trainerverlängerung in Zeiten von Corona eigentlich vorstellen?
Wir haben telefoniert, das verlief ganz entspannt. Es gab ja auch nicht viel zu besprechen. Wir stehen ja die ganze Zeit in Kontakt und können uns ja auch schnell per Nachricht austauschen.

Als Sie Anfang Oktober kamen, hatte die Mannschaft gerade 0:7 in Lohne verloren und den Rücktritt von Trainer Carsten Werde zu verkraften. Was für eine Mannschaft haben Sie vorgefunden?
Erst einmal muss ich sagen, dass mich der Verein so herzlich aufgenommen hat, wie kein anderer Verein vorher. Das möchte ich wirklich loswerden. Und die Mannschaft habe ich als aufgeschlossen, wissbegierig, lernbereit und unheimlich sympathisch wahrgenommen. Das gesamte Paket war wirklich sehr, sehr angenehm.

Das klingt fast so, als hätte es den mäßigen Saisonstart nicht gegeben. Dabei hatte die Mannschaft wenige Tage vor Ihrem Amtsantritt den Tiefpunkt der Saison erlebt. War von Verunsicherung nichts zu spüren?
Woran misst man das? Ich konnte mir erst ab Oktober ein Bild machen. Mir fehlt da die Vergleichsmöglichkeit zu vorher. Wenn ein neuer Trainer kommt, ist es gleichzeitig so, dass eine Reset-Taste gedrückt wird. Das wirkt auf den einen oder anderen unterschiedlich stark, aber das ist normal. Wenn man Selbstvertrauen hat, kommt man in einen Lauf – und umgekehrt. Grundsätzlich ist es so, dass man als Neuer eine Art Euphorie entfachen will, und das ist uns im ersten Spiel gegen Spelle eigentlich gut gelungen. Nur haben wir uns zum Schluss nicht belohnt, zumindest einen Punkt zu Hause zu behalten.

Bei einem Punkt aus drei Spielen muss man trotzdem festhalten, dass der Effekt der Trainerwechsel eher verpufft ist, oder?
Wenn man sich die Statistiken anschaut, dann gibt es diesen Effekt durchschnittlich gar nicht. Ich will nicht alles auf die Wissenschaft beziehen, aber es gibt einige Untersuchungen dazu. Und die zeigen, dass sich trotz eines Wechsels grundsätzlich wenig ändert. Wir brauchen uns nicht in die Tasche lügen: Hagen ist so ein bisschen das gallische Dorf in der Oberliga, wir müssen alles geben, um erfolgreich zu sein. Ich bin da aber entspannt. Wir haben eine Entwicklung mit vielen guten und jungen Spielern vor uns. Und wir haben Anfang Oktober Spieler gehabt, die gerade erst wieder eingestiegen waren, wie Kai Diesing oder Axel France, die sich nach langwierigen Verletzungen erholt haben. Dann haben mir Finn-Niklas Klaus und Luca Krösche gefehlt. Wir haben da aus dem letzten Loch gepfiffen. Dahingehend finde ich, dass die Mannschaft das gut gemacht hat. Nur die Ergebnisse waren nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.

Regulär hätte der FC Hagen/Uthlede zu diesem Zeitpunkt neun Spiele mehr ausgetragen, am vergangenen Wochenende hätte es wieder losgehen sollen. Fangen Sie – wenn wieder an Fußball zu denken ist – nicht wieder bei null an? Gerade als neuer Trainer?
Wir versuchen natürlich so gut es geht, die Spieler mit Hausaufgaben zu versorgen, damit sie bestmöglich fit bleiben. Wir fangen aber genauso bei null an wie andere Mannschaften auch.

Aber für Sie gilt das doch umso mehr, weil sie die Mannschaft coronabedingt noch gar nicht richtig kennenlernen konnten?
Ich glaube, dass ich schon gute Möglichkeiten hatte, die Spieler kennenzulernen. Natürlich ist das etwas anderes, als wenn man schon länger da gewesen wäre oder jetzt eine vernünftige Vorbereitung machen könnte. Aber das geht nun einmal im Moment nicht. Das nehmen wir so hin, und wenn wir wieder trainieren dürfen, dann werden wir das tun und versuchen, das Bestmögliche herauszuholen. Und das ist der Klassenerhalt in der Oberliga.

Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte Teammanager Gunnar Schmidt, dass man aktuell gar nicht planen könne bei der ungewissen Lage. Wie sehen Sie das?
Mit den Spielern aus dem aktuellen Kader tausche ich mich natürlich sehr regelmäßig aus. Gespräche mit anderen Spielern gehen wir gerade an, auch immer verbunden mit einer bestimmten Idee und Struktur, da sind wir mittendrin im Prozess. Die Gespräche sehen gerade etwas anders aus als sonst, weil keiner weiß, wie es weitergeht. Aber nichtsdestotrotz versuchen wir, unsere Hausaufgaben bestmöglich zu machen.

Heißt das, es könnte noch ein kurzfristiger Wechsel zustande kommen?
Die kurzfristigen Wechsel sind aktuell natürlich sehr schwierig. Warum sollten die Spieler wechseln nach so wenigen Spielen? Die Rolle für viele Spieler ist noch gar nicht definiert. Die Saison lief bislang gerade einmal drei Monate mit Vorbereitung. Da muss schon mehr vorliegen, wenn ein Spieler wechseln will, als dass er bloß unzufrieden ist, weil er nicht spielt. Und keiner weiß, wie es weitergeht. Vielleicht wird die Saison noch abgebrochen. Das macht es nicht einfach.

Das Interview führte Dennis Schott.


Quelle: Weser-Kurier vom 27.01.2021 verfasst von Dennis Schott