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Oberliga Niedersachsen ausgeglichener und spannender denn je

Wer gewinnt, wer verliert, wer spielt unentschieden? Geht man auf Nummer sicher und tippt auf einen Favoritensieg, oder traut man dem Außenseiter die Überraschung zu? Fragen über Fragen, die sich Millionen von Fußballfans Wochenende für Wochenende stellen. Tippspiele begeistern die Massen. Die Vorhersage ist eine eh schon schwierige Angelegenheit, noch schwieriger gestaltet sie sich in Niedersachsen. Die Oberliga des Landes im Nordwesten der Bundesrepublik ist unberechenbarer als alle anderen. Von der Bundesliga bis runter zu den fünften Ligen Deutschlands, ausgeglichener als die Oberliga Niedersachsen ist keine andere Spielklasse.

Gestern Nachmittag trennten Dortmund und Nürnberg 28 Punkte, zwischen dem Hamburger SV und Ingolstadt sind es 27 Zähler, in der 3. Liga hinkt Eintracht Braunschweig dem Karlsruher SC um 25 Punkte nach – in den Regionalligen herrschen ähnliche Verhältnisse. Der größte Unterschied besteht in der Bremen-Liga zwischen dem Bremer SV und dem OSC Bremerhaven – 43 Punkte. In keiner Spielklasse ist die Diskrepanz zwischen Ligaprimus und Schlusslicht so gering wie in der Oberliga Niedersachsen. Spitzenreiter FC Eintracht Northeim (35) verfügt lediglich über einen 19-Punkte-Vorsprung auf den BV Cloppenburg (16), der die Rote Laterne trägt.

Jeder schlägt jeden

Diese Zahlen spiegeln die Ausgeglichenheit der Liga wider. Jeder kann jeden schlagen, und jeder schlägt auch jeden. Als Beispiel dazu dient der TB Uphusen. Die Arenkampkicker sammelten unter anderem sieben Punkte in drei Duellen gegen die Top drei der Liga – Northeim, HSC Hannover, Eintracht Braunschweig II. Gegen die drei Aufsteiger FC Hagen/Uthlede, VfL Oythe und MTV Wolfenbüttel sind indes in der Statistik null Zähler verzeichnet. „Oftmals entscheiden die Kleinigkeiten, und viele sind auf einem Level. Northeim und HSC muss man rausnehmen. Alle anderen haben das gezeigt, was auch wir gezeigt haben: Inkonstanz. Daher ist es schwierig, eine Prognose abzugeben“, weiß auch Uphusens Chefcoach Fabrizio Muzzicato um die Kräfteverhältnisse in der Liga.

Das Ziel am Arenkamp ist es, eine ruhige Saison zu spielen. Mit Rang zehn und 23 Punkten bei einem Spiel weniger als die Konkurrenz befindet sich der TBU im Soll. Mehr aber auch nicht. Doch mehr ist mittlerweile der Anspruch vieler. Verständlich bei den namhaften Akteuren. Und mehr wäre auch möglich gewesen. Oftmals wurde aber die so wichtige Achse um Abwehrchef Frithjof Rathjen, Taktgeber Kevin Artmann und Sturmspitze Thomas Celik vergeblich auf dem Platz gesucht. Während sich Artmann und Celik mit immer wieder neuen Verletzungen quälten, schluckt der Trainerjob von Rathjen bei Werders U14 viel Trainings- und auch Spielzeit. Celik wird man auch im neuen Jahr vergebens bei den Uphusern suchen. Er wechselte zum FC Verden 04 in die Landesliga. Zudem liegen dem TBU Mannschaften besser, die Fußball spielen und nicht ausschließlich arbeiten wollen. Auffällig: Muzzicatos Mannen holten die Punkte nur, wenn es auch unbedingt nötig war, um das Abrutschen in den Abstiegssumpf zu vermeiden.

In diesem hatten viele vor der Saison den FC Hagen/Uthlede erwartet. Im vergangenen Sommer gelang dem FC erstmals in seiner Vereinshistorie der Aufstieg in die Oberliga. Was von vielen – mit Blick auf die Erfahrungen des SV Blau-Weiß Bornreihe vor zwei Jahren – als Himmelfahrtskommando eingeschätzt worden war, hat sich mittlerweile als eine ziemliche Erfolgsgeschichte herauskristallisiert. Nach einem bärenstarken Saisonstart standen die Hagener um Chefcoach Carsten Werde sogar zwischenzeitlich auf Rang zwei. Nach jeweils sieben Siegen und Niederlagen sowie vier Unentschieden überwintert der Aufsteiger auf einem guten neunten Platz – mit vier Punkten Vorsprung auf die Abstiegsränge. Das große Plus der Grün-Schwarzen: Sie sind von ihrem erfolgreichen Stil – frühes Anlaufen bei eigener offensiver Grundausrichtung – nicht abgewichen. Werde lässt sein Team eigentlich nie eine nur aufs Zerstören ausgelegte Abwehrtaktik spielen – das dürfte einige Gegner überrascht haben. Das größte Faustpfand dieser Mannschaft ist jedoch ihre Eingespieltheit. Bis auf Meiko Gagelmann und Rückkehrer Jascha Stern kennt sich die Stammelf seit Jahren, hat Erfolge zusammen gefeiert und sich gemeinsam entwickelt. Der Klassenerhalt wäre nach dieser Hinrunde wahrlich keine Sensation mehr – gleichwohl der größte Erfolg des jungen Vereins.

Nummer drei im Bunde der Teams aus dem Bremer Umkreis ist der SV Atlas Delmenhorst. Hinter den Blau-Gelben liegt eine durchaus turbulente Hinrunde – inklusive Trainerwechsel. Mitte November wurde Jürgen Hahn entlassen, Daniel von Seggern übernahm interimsmäßig. Mittlerweile steht fest, dass Olaf Blancke, in der Hinrunde Trainer vom BV Cloppenburg, übernimmt. Atlas rangiert auf dem vierten Platz, der Abstand zum Aufstiegs- und Relegationsplatz beträgt allerdings schon acht Punkte, der Vorsprung auf die Abstiegszone lediglich sechs. Das zeigt auch wieder die Ausgeglichenheit der Liga, die der Leiter Leistungsfußball beim SVA lobt. „Es ist eine spannende Liga, und das macht für mich als Fußball-Fan, der ich ja auch bin, Spaß. Man darf nie einen Gang zurückschalten, muss immer 100 Prozent geben und gut vorbereitet sein“, sagt Bastian Fuhrken.

Den Grund dafür sieht er darin, dass die Vereine aus ihren Mitteln das Beste machen. „Ich glaube auch, dass sich immer mehr Vereine mit den kommenden Gegnern beschäftigen und besser vorbereitet sind“, meint Fuhrken. Mit dem bisherigen Abschneiden ist der Sportchef zufrieden: „Unser großer Wunsch war es, die Defensive zu stabilisieren. Das haben wir geschafft, wir haben die viertbeste Abwehr. Mit dem Tabellenplatz bin ich sehr zufrieden, aber mit ein paar Spielen nicht, beispielsweise mit den Niederlagen beim VfL Oythe und zu Hause gegen den MTV Gifhorn“, blickt Fuhrken zurück.

Schwächelnde Favoriten

Nicht nur die Hinrunde war turbulent, das gesamte letzte Jahr verlief spannend. „Es war schon sehr anstrengend. Anfang des Jahres mussten wir alles geben, um den Klassenerhalt zu schaffen. Im Sommer hatten wir einen großen Umbruch, zuletzt den Trainerwechsel“, bilanziert Fuhrken. Und ruhiger dürfte es in der nächsten Zeit nicht werden: Präsident Manfred Engelbart verkündete bei der Vorstellung des neuen Coaches, dass der SV Atlas mittelfristig in die Regionalliga aufsteigen solle – per Mikrofon auf dem Delmenhorster Weihnachtsmarkt.

Beim Blick auf das Klassement fällt nicht nur die Ausgeglichenheit auf, sondern auch, dass sich arrivierte Mannschaften nicht in ihren angestammten Tabellenregionen befinden. Unter anderem trifft das auf den SC Spelle-Venhaus zu. In der Vorsaison sah Spelle lange wie der Meisterschaftskandidat Nummer eins aus, ehe der Vorstand entschied, dass der Aufstieg in die Regionalliga nicht gewünscht ist. Zu Beginn dieser Spielzeit tummelte sich Spelle lange Zeit im Tabellenkeller – inklusive Trennung von Coach Sebastian Röttger und Neuinstallation von Hanjo Vocks. Erst nach und nach fand der vermeintliche Favorit den Anschluss und belegt zur Winterpause Position acht.

Negativüberraschung Nummer zwei ist der 1. FC Wunstorf, Tabellenvierter der Vorsaison und für viele einer der Meisterschaftsfavoriten der jetzigen Spielzeit. Nach einer suboptimalen Vorbereitung und dem Abgang zweier Leistungsträger fand sich Wunstorf jedoch früh am Ende des Tableaus wieder. Und hat sich seitdem auch nicht viel bewegt. Das Weihnachtsfest wird auf Rang 14 erlebt. Kurioses am Rande: Spelles Sebastian Röttger, Delmenhorsts Jürgen Hahn und Heeslingens Hansi Bargfrede haben allesamt etwas gemeinsam: Sie verloren ihre Trainer-Posten nach Spielen gegen Wunstorf.

Stichwort Heeslinger SC: Nach der Trennung von Hansi Bargfrede, Vater des Werder-Spielers Philipp Bargfrede, fand der HSC unter Interimscoach Hendrik Lemke zurück in die Spur. Zehn Punkte aus vier Spielen schmücken Lemkes bisherige Bilanz. Weiteres Positives aus Heeslingen: Sie haben ganze 18 Partien absolviert, wie der Großteil der Liga. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison waren die Heeslinger lange Zeit zum Zuschauen verdammt, da ihr Platz und die der Gegner oftmals nicht in einem bespielbaren Zustand waren. 2017 hieß es nach elf Spielen bereits Winterpause.

Probleme anderer Art herrschten beim BV Cloppenburg in der Saison 2017/2018. Und in dieser Spielzeit? Nichts und viel Neues zugleich. Es kehrt einfach keine Ruhe ein. In puncto Chaos toppt die derzeitige Saison die vergangene gar noch. Intrigen und Machtspiele bestimmten das Geschehen beim BVC, der mittlerweile vom zweiten Notvorstand geleitet wird. Nun steht auch fest, dass Olaf Blancke 2019 nicht mehr auf der Trainerbank des ehemaligen Regionalligisten sitzt. Entsprechend gerät der Fußball schon beinahe in den Hintergrund beim Tabellenschlusslicht.

Was machen die Neuen?

Im Fokus stehen traditionell in einer Liga insbesondere die Neuen, die Auf- und die Absteiger. Der FC Hagen/Uthlede ist schon ein starker Neuling aus der unteren Klasse, doch den Titel als bester Aufsteiger hat ganz klar der HSC Hannover inne. Mit 35 Zählern rangiert der HSC punktgleich mit Northeim an der Spitze. Wird der Blick auf die Kaderliste gerichtet, weicht die Überraschung. Denn hinter vielen Namen verbirgt sich reichlich Oberliga-Erfahrung, auch aus der vergangenen Saison. Ein halbes Dutzend Spieler von Arminia Hannover liefen vor der Saison zum Stadtrivalen über.

Die beiden weiteren Aufsteiger sind in der Tabelle dort anzutreffen, wo sie auch von den meisten vermutet wurden: knapp über und knapp unter dem Strich. Wäre Saisonschluss, würde sich der VfL Oythe (18 Punkte) wieder gen Landesliga verabschieden, während der MTV Wolfenbüttel (22) knapp den Klassenerhalt feiern dürfte. Beide erwiesen sich aber als oberligatauglich und wussten, dem einen oder anderen Team Schwierigkeiten zu bereiten.

Dazu kann allerdings nicht Eintracht Braunschweig II gezählt werden. Wolfenbüttel (1:4) und insbesondere Oythe (0:7) bekamen zuletzt zu spüren, dass die Drittliga-Reserve mittlerweile in der neuen Liga angekommen ist. Der Regionalliga-Absteiger erwischte einen schwachen Saisonstart und feierte erst am fünften Spieltag den ersten Dreier. Es folgten aber sieben weitere. Daneben sorgten vier Unentschieden dafür, dass die Eintracht mit 28 Punkten (Rang drei und ein Spiel weniger) auf dem Weg dorthin ist, wo viele der Oberliga-Trainer sie auch vor der Saison gesehen haben: an der Tabellenspitze.

Vermutet wurde dort auch der zweite Regionalliga-Absteiger, der VfV Borussia 06 Hildesheim. Zu Beginn ließen sich einige Parallelen zur Eintracht aus Braunschweig ziehen. Auch die Hildesheimer kamen nicht aus den Startlöchern. Unterschied zum Abstiegskumpanen: Die Borussia ist noch immer nicht richtig in Fahrt gekommen. Das Platzierungspendel schlug bisher von 14 bis sechs aus. Überwintert wird in Hildesheim an Position sechs.

Was für Wolfenbüttel und Oythe gilt, gilt auch für die restlichen Truppen. So wurde Ligaprimus FC Eintracht Northeim bereits vor Saisonbeginn in der Spitzengruppe vermutet. Dem TuS Bersenbrück hatte man die Verfolgerrolle verpasst. Mit Platz fünf wurde der TuS dieser auch gerecht (26 Punkte). Arminia Hannover hat man auch angesichts der Abgänge zum HSC eine solide Saison zugetraut, Platz sieben (26 Punkte) bestätigt das. Und auch der MTV Gifhorn agiert den Vorhersagen entsprechend – 13. mit 21 Zählern.

Widerlegte Vermutung

Die Ausgeglichenheit der Liga spiegelt sich aber nicht nur in den Statistiken wider, Woche für Woche ist sie auf den Fußballplätzen mit eigenen Augen zu sehen. Mit seltenen Ausnahmen dominiert keine Mannschaft die andere. Wie Fabrizio Muzzicato beobachtete: Kleinigkeiten entscheiden. Alles ist somit möglich, und genau das macht die Liga so attraktiv – entgegen der allgemeinen Meinung, wie Hagens Carsten Werde mittlerweile festgestellt hat: „Im Vorfeld habe ich immer wieder gehört, dass die Oberliga nicht durch Attraktivität besticht. Doch das kann ich keinesfalls unterschreiben. Diese Liga macht einfach nur Spaß.“

Und die Aussichten sind rosig, dass das auch lange Zeit so bleiben wird. Denn Ausgeglichenheit bringt zugleich Spannung mit sich. Ausruhen ist demnach nicht möglich. „Daher wird es noch lange dauern, bis es für manche um die Goldene Ananas gehen wird“, vermutet auch Carsten Werde. Aus neutraler Sicht kann das nur zu hoffen sein.


Quelle: Sportbuzzer.de vom 22.12.2018 verfasst von Tobias Dohr