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„Du kannst es nicht allen recht machen“

27Fußball-Szene denkt unterschiedlich über Szenarien für die Saison 2019/2020 – Interesse des eigenen Vereins spielt mit rein

Die Frage, wie es mit der Saison 2019/2020 weitergehen soll, spaltet die Fußball-Szene in Stadt und Land. Während einige einen Haken unter die wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Spielzeit machen wollen, plädieren andere für einen neuen Anlauf nach den Sommerferien. Argumente gibt es für beide Sichtweisen – das macht die Umfrage der NORDSEE-ZEITUNG unter
Trainern, Spielern und Funktionären deutlich. Und so ehrlich waren alle Befragten – die Interessen des eigenen Vereins spielen eine große Rolle. „Es gibt mit Sicherheit keine Lösung, die alle zufriedenstellt. Ich wünsche den Funktionären in den Verbänden ein glückliches Händchen“, sagt Stephan Niemeyer, Fußballfachwart beim MTV Bokel.

Fürs Weitermachen plädiert Carsten Werde. „Wir haben uns klar dafür positioniert, dass wir die Saison gerne fortsetzen würden. Wir wollen die sportliche Beendigung auf dem Platz, sowohl was den Ligabetrieb betrifft als auch den Pokalwettbewerb, wo wir ja bereits im Halbfinale sind“, sagt der Trainer des Oberligisten FC Hagen/Uthlede. Der 32-Jährige glaubt zwar, „dass wir erst wieder Fußball spielen werden, wenn es einen Impfstoff gibt“. Doch selbst wenn die Fußball Pause bis Januar 2021 dauern werde, gebe es keine Alternative dazu, zunächst die Saison 2019/2020 zu beenden: „Sonst haben wir die nächste abgebrochene Saison.“

„Ich persönlich finde es am besten, die Saison abzubrechen. Als Fußballer bin ich so konditioniert, dass die Saison am 30. Juni vorbei ist“, bezieht Björn Böning die Gegenposition. Der Sportliche Leiter des Landesliga-Tabellenführers OSC Bremerhaven begrüßt es, dass sich der Bremer Fußball-Verband (BFV) bereits klar gegen eine Annullierung der Saison ausgesprochen hat: „Das wäre auch das Unsportlichste. Du spielst zwei Drittel der Saison herunter und bist dann der Volldepp.“ Gegen eine Wiederaufnahme der Saison nach den Sommerferien sprechen laut Böning praktische Gründe wie die dann nicht mehr gegebene Verzahnung mit dem Profi-Lager und die Wechselfristen: „Ich bekomme drei Spieler aus Niedersachsen. Wann sollen die denn bei mir spielen?“ Die Befürchtung, dass den Verbänden im Falle eines Saisonabbruchs eine Klagewelle droht, hält Böning für überzogen: „Damit würde sich kein Verein einen Gefallen tun, das ist unsozial. Es wird auch nicht so sein, dass du es allen recht machen kannst. Irgendwer ist immer der Doofe.“

Ebenfalls für den Saisonabbruch ist Janine Müller, Kapitän der Oberliga-Frauen des FC Geestland. „Ich fände es gut, wenn man die Saison einfrieren würde. Die Mannschaften, die auf den ersten Plätzen stehen, sollen aufsteigen können. Für einen Abstieg wäre ich nicht“, erklärt die Mittelfeldspielerin. In der Frauen-Oberliga wäre ein Schnitt leicht zu machen – Tabellenführer Osnabrücker SC hat schon zwölf Punkte Vorsprung, die Geestländerinnen belegen den vierten Rang.

Obwohl der abstiegsbedrohte Bremen-Ligist Leher TS als Tabellenzwölfter bei einem Saisonabbruch gerettet wäre, hält Jan Niklas Kersten von dieser Lösung wenig. „Mein Favorit ist es, weiterzuspielen und die Saison nicht abzubrechen“, betont der Torjäger, der das für die sportlich fairste Variante hält. Der Bundeswehr-Nationalspieler verschweigt aber nicht, dass es bei dem Versuch, die Spielzeit 2019/2020 im September neu zu starten, viele praktische Probleme gibt. „Wenn es im September weitergehen würde, hätte man fünf Wochen lang zwei Spiele pro Woche. Dann gibt es eine Woche Sommerpause, bevor die neue Saison beginnen soll? Das klappt doch nicht“, sieht Kersten eine hohe Belastung auf die Amateurkicker zukommen.

Ähnliche Bedenken hat Bokels Niemeyer. „Wir haben noch 15 Spiele vor der Brust. Sollen wir dann in einer Saison 45 Spiele machen?“, fragt der Vertreter des Bezirksligisten, der abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz steht. „Wir sind dafür, dass man das lassen soll“, so Niemeyer. Für das Team vom Bätjerplatz wäre es sicher kein Schaden, wenn die auch durch Verletzungspech verkorkste Saison 2019/2020 vorzeitig enden und sich der MTV nicht in der Kreisliga wiederfinden würde. „Im eigenen Interesse bin ich sicher dafür, den Abstieg auszusetzen“, räumt Niemeyer ein, dem ein grundsätzliches Problem auf den Nägeln brennt: „Wir verschieben in den Herbst und die Bundesliga sagt: Wir können weiterspielen. Es geht doch nicht, dass wir im Herbst in verschiedenen Spielzeiten sind.“ Ein einheitliches Vorgehen von Nord bis Süd fordert auch Hagens Carsten Werde: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass jeder Landesverband für sich allein entscheidet. Das ist Flickenteppich at its best.“

Pro Abbruch

  • Die im Niedersächsischen Fußballverband organisierten Vereine haben sich mehrheitlich für einen Abbruch der wegen der Corona-Pandemie derzeit unterbrochenen Saisons ihrer Amateurteams ausgesprochen. In einer Umfrage der vergangenen Tage hätten von den rund 2600 Vereinen im Zuständigkeitsbereich des NFV nur rund 448 für den Vorschlag des Verbands-Vorstands gestimmt, die Spielzeit 2019/20 ab Mitte August fortzusetzen, sofern dies erlaubt ist.
  • Der Verbandsvorstand will sich morgen erneut zu einem Austausch treffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Quelle: Nordsee-Zeitung vom 27.04.2020 verfasst von Dietmar Rose